Angefordert

Das Türschloss ist defekt. Der Riegel ruht haltlos in seinem Bett. Eine kleine Reparatur ist fällig. Sonst komme ich nicht in den Raum hinein. Oder, wenn es ganz schlecht läuft, nicht heraus. Oder ein Unbefugter könnte Zutritt erlangen.

Ich weiß, was zu tun ist und fordere eine Reparatur an. Mit der Tastatur. Es geht ganz leicht. Die kleine Applikation versteckt sich nicht. Ein Menue liefert mir Kategorien, die mein Hilfeersuchen aufnehmen. Ein paar Klicks, ein paar Worte und ab geht die Post. Verzögerungsfrei landet mein elektronischer Bittbrief dort, wo man sich meiner erbarmen wird. Die Antwort kommt digital und prompt. Jetzt ist es amtlich. Es gibt einen neuen Vorgang. Die Sache kommt in Fahrt. Meine Zuversicht wächst. Hilfe erscheint nicht mehr weit.

Der Hausmeister stellt umgehend seine Unzuständigkeit fest. An der Schließanlage sei Elektronik im Spiel. Hier dürfe er nicht eingreifen. Leider. Zuständig sei eine andere Abteilung. Es dauert nicht lange und Hilfe naht zum zweiten Mal. Der Abteilungsleiter kümmert sich persönlich um den Vorgang: Da muss der Schreiner dran. Dieser hat seinen Betrieb irgendwo draußen. Nach einem Telefonat erhalte ich eine Zwischennachricht: Es kann ein bisschen dauern. Der Betrieb ist für ein paar Tage geschlossen. Anfang des neuen Jahres wird jemand herauskommen und die Sache reparieren. Wenn es noch etwas Zeit hat. Es hat Zeit.

Das neue Jahr ist nun zwei Wochen alt. Noch heute wäre es meinem „Leatherman-Multitool“ ein Vergnügen, dem schwächelnden Schloss zu Leibe zu rücken, es der Tür zu entreißen, eine verbogene Feder wieder zu richten oder einen entwichenen Bolzen wieder in seinen Nut zu setzen oder einfach nur Platz zu machen für ein neues Schloss mit einem sattelfesten Riegel, der in der Lage ist, die Tür anständig gegen Unbefugte zu sichern. Ich aber habe eine Reparatur angefordert.

Das Türschloss ist defekt. Der Riegel ruht haltlos in seinem Bett.

Im Januar 2017

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