Nicht so schnell

Das Virus ist boshaft. Doch es kriegt uns nicht. Wenigstens nicht so schnell. Vielleicht später einmal. Sehr viel später, wenn wissenschaftlich gesichert ist, wie es zu besiegen ist. Aber nicht heute. Nicht zur Unzeit, zu der wir noch zu wenig wissen, uns noch die Waffen fehlen, es vernichtend zu schlagen.

Wir passen auf. Halten still. Schützen uns, geben ihm keine Gelegenheit sich einzunisten, von uns Besitz zu ergreifen um in uns massenweise neue Viren freizusetzen, die das unselige, mitunter gar vernichtende Treiben ihrer Vorfahren hemmungslos in immer neue Generationen forttragen.

Wir wollen nicht ihr Wirt sein, Wirt solch kleinster Wesen zwischen Leben und Tod, solch unsichtbarer Gäste. Sie kommen ungebeten und häufig genug unerkannt. Wir wissen nicht einmal, ob sie Quartier bezogen haben und ob sie wirklich fort sind, wenn wir sie längst nicht mehr in uns wähnen. Sie verschwinden spurlos. Doch nur scheinbar. Auf den ersten Blick. Bis wir sehen, was sie in uns angerichtet haben. Und womöglich noch anrichten können, weil sie noch da sind. Und uns schrecklich treue Verbündete bleiben.

Das Virus ist boshaft. Doch es kriegt uns nicht. Nicht so schnell.

Im Mai 2020

Dieser Eintrag wurde in Prosa veröffentlicht.