Narren sind unter uns. Jetzt startete die Karnevalssession, zeitgleich mit der Einigung über den Grundlagenvertrag der Großen Koalition. Buntes Treiben kündigte sich an, in Berlin wie in Münster, wo ein versprengtes Häuflein Jecken, die vom Vortag, dem 11.11., noch übrig oder wieder auferstanden waren, den Prinzipalmarkt bevölkerte und Burlesken dem Volkstrauertag zutrieb. Viel Klamauk, aus dem sich nur hin und wieder vormals beteiligte, nun aber strauchelnde Figuren lösten und als pittoreske Farbtupfer in der Menge verschwanden. Figuren, die als kleine Strudel den Lebensstrom ein bisschen durchquirlten, um doch mit ihm wieder eins zu sein.
Und in Berlin? Berlin regiert wieder. Es hat eine Kanzlerin – in spe. Üble Umtriebe abgebrühter politischer Freunde sind gescheitert. Die im Wahlkampf so heftig bekämpften Gegner haben sich als verlässlicher erwiesen. Ein 191 Seiten starker Koalitionsvertrag ist das Wertpapier, das die Teilhabe an der zukünftigen Regierung verkörpert. Der Börsenstart war verhalten, hagelte es doch heftige Kritik von interessierter und sachverständiger Seite. Doch der Kurs könnte steigen. In Berlin ist der Karneval vorüber. Die Narren sind nach Bayern oder sonst wohin verschwunden. Was bleibt, ist nüchterner Alltag. Und der folgt nicht politischem Kalkül, sondern ein paar Naturgesetzen. Das wissen die Handelnden. Und sie wissen auch, dass die Bürger klüger sind, als manch durchtriebener Geist zu erkennen imstande ist.
Im November 2005